Wir vertäuen bereits im Hafen das aufgetuchte Großsegel und schlagen das Trysegel an. Desweiteren bereiten wir die Kutterfock vor, um sie mit ihren Stagreitern am Babystag zu befestigen.
Das Nordfriesische Wattenmeer ist noch unter Einfluss schönsten Rückseitenwetters. Bei restlicher auflaufender Tide legen wir zur frühen Mittagszeit von Hörnum ab. Wir segeln mit frischem W-Wind unter ausgerollter Genua III und Trysegel durch das Vortrapptief in südliche Richtung. Dabei passieren wir Seehunde am Jungnamensand und erreichen wenig später die Barre bei Hochwasser. Am Nachmittag nimmt der Wind kontinuierlich zu. Wir rollen die Genua III ein und heißen die Kutterfock auf. Die Gischt fegt von den Wellenkämmen und die Dünung baut sich weiter auf, während sich weiße Schlieren quer über die See legen. Der Wind weht steif bis stürmisch – Yacht, Segel und Crew sind in ihrem Element.
Es ist alles bestens vorbereitet als der Sturm einsetzt. Ab dem späten Nachmittag zeigt das Windmessgerät im Cockpit bei 45 kn, als wir in die Dämmerung hinein segeln. Die von Sparkman & Stephens konstruierte Swan taucht weich in die auf bis zu 4 m anwachsende Dünung hinein und jagt am Rande der Rumpfgeschwindigkeit durch die aufgewühlte See. Luvwärtig von uns schweift das Leuchtfeuer von Helgoland mit einem Blitz zu 5 Sekunden über den dunkelgrauen Horizont.
Das Arrangement des Seglers in und mit der Natur ist das Erlebnis – mit allem Respekt. Es geht um das richtige Augenmaß die eigenen Grenzen zu erkennen und zu respektieren, aber die Kraftkomponenten für sich nutzen zu können. Das ist einzigartig und macht den Reiz, den Anspruch und die Freude am Schwerwettersegeln aus.
Als wir die Elbmündung in der Dunkelheit des Abends bei Niedrigwasser erreichen, baut sich die Dünung westlich des Großen Vogelsandes bis auf 5 m auf. Die weiße schäumende See türmt sich um uns, während wir den an der nördlichen Fahrwasserseite rot befeuerten Lateraltonnen entgegen segeln. Über den UKW-Arbeitskanal 71 Elbe-Traffic sind wir über den Schiffsverkehr informiert. Das Verkehrstrennungsgebiet der Elbe-Ansteuerungstonne bleibt Steuerbord liegen als wir das Fahrwasser zwischen der Bake Z vom nördlichen zur Bake B zum südlichen und einlaufenden Fahrwasserrand queren.
Wir segeln mit dem auflaufenden Gezeitenstrom am grünen Tonnenstrich außerhalb und parallel zum Fahrwasser, um den einlaufenden Schiffen mit größerem Tiefgang genügend Raum zu geben. Am späteren Abend erreichen wir Cuxhaven. Die Suche nach einem geeigneten Liegeplatz gestaltet sich bei diesen Wetterbedingungen zeitaufwendig, bis wir an einem geeigneten Schwimmsteg im Alten Fischereihafen festmachen. Distanz: 70 sm.
Anlegedrink und Midnight-Dinner im von der Warmluftheizung wohlig erwärmten Salon, während die Segel-Ausrüstung im Vor- und Achterschiff trocknet. Sehr angenehmer gemeinsamer Ausklang des Törns mit der Crew, geprägt von Teamgeist und Kameradschaft.
Fazit
Das Schwerwettertraining beinhaltete alles, was seglerisch in einer Woche zu erleben war. Die Wetterlage im Herbst hat das Sortiment von 0 – 9 Beaufort abgerufen – das haben wir uns vom Leichtwind-Spinnaker bis hin zur Sturmbesegelung zu Nutze gemacht. Entscheidend ist hierbei ohne Angst, jedoch mit Respekt den Naturgewalten zu begegnen und sie für sich kontrolliert zu nutzen sowie in Verantwortung für Schiff und Crew das Limit wahrzunehmen.
Die Vielseitigkeit dieses Schwerwettertrainings zeigte die mögliche Bandbreite des Segelns sowie der Charaktere und Altersstruktur der Crew. Die Konstellation im Team mit zwei Frauen, fünf Männern, dem ältesten mit 65 Jahren und einem seglerischen Nachwuchs mit 11 Jahren macht deutlich, wie vielen Menschen das Segeln die Natur eröffnen kann. Mein Dank als Skipper geht hierbei an die Crew, die in Toleranz von Persönlichkeiten und einem Altersunterschied von zwei Generationen auf engstem Raum an Bord zu einem Team zusammengewachsen ist und sich gegenseitig beschenkt hat.



