Dem Herbststurm geht die Puste aus. Die letzte Front zieht durch und mit dem Nachlassen des Regens öffnet sich das lang ersehnte Wetterfenster. Einzelnen Böen fegen noch durch den Hafen als wir im Schein der Deckstrahler das Try-Segel, die Kutter-Fock und die Genua 3 abschlagen, zusammenlegen und verstauen. Kurz vor Mitternacht heißt es "Leinen los..."
Der große Wind hat seine Spuren hinterlassen - die Wolkenbänder der letzten Tage sind wie weggeblasen. Ein sternenklarer Himmel funkelt uns an und mit Verlassen des Hafens kommen uns riesige Wellenbergen entgegen. Die Fahrt gleicht einem Rodeo-Ritt, bis wir außerhalb des Scheerengartens die Segel setzen können.
In einem überlappenden Wachsystem arbeiten wir uns mit Kreuzschlägen an der südnorwegischen Küste entlang. Als der Wind auf Ost-Süd-Ost dreht, haben wir Hoch-Am-Wind Anliegerkurs Richtung Horns Reff. Nachdem wir das Flach vor der Südküste Dänemarks passiert haben, frischt der Wind langsam auf. Mit Einbruch der Dunkelheit binden wir präventiv das 3. Reff ein. Kurz Zeit später habe wir mit 30 kn bereits vollen Starkwind. Überkommenden Seen klatschen auf das Deck und lassen kein Ölzeug trocken. Unsere Nautor's Swan zeigt sich im Gegensatz zu mir wenig beeindruckt. Sie legt sich auf die Seite und bahnt sich unbeirrt ihren Weg durch die tosende See.
Mit über 8 kn jagen wir bei völliger Finsternis über die Nordsee. Nach 56 Stunden auf See erreichen wir mit Sonnenaufgang die Elbmündung. Westlich des Großen Vogelsands biegen wir in das Hauptfahrwasser ein und sehen am Horizont eine Armada großer Frachtschiffe aufkommen. Auch sie warten auf das Einsetzten der Flutwelle, um mit dem Strom Richtung Hamburg zu reisen. Außerhalb des Tonnenstrichs bestaunen wir die Ozeanriesen, wie sie uns in voller Fahrt passieren.Trotz Wind-gegen-Strom ist der Seegang moderat und auch wir kommen gut voran. Mit bis zu 10 kn ziehen wir an Cuxhaven, Brunsbüttel und Glückstadt vorbei.
Der Kreis schließt sich - die große Nordlandreise geht dem Ende zu. Auf der Südtangente des Elbverlaufs rollen wir bei strahlendem Sonnenschein ein letztes Mal die Genua aus. Mit Hochwasser erreichen wir die Innenstadt von Hamburg: Die Fischauktionshalle, der Michel und die Kehr-Wieder-Spitze kommen in Sicht. Im City-Sporthafen werden wir von unseren charismatischen Segelfreunden auf's herzlichste empfangen. Dankbar über das glückliche Wiedersehen fallen wir uns freudig in die Arme.
Wir sind wieder zu Hause!