Unsere Erlebnisse

2015 | Fastnet Race - der mühsame Weg nach Westen

Nach der Huk ist vor der nächsten Huk. Mit dem Passieren von Start Point und dem Kentern der Tide segelten wir nach dem Bergen des Spis mit Kreuzschlägen dicht entlang der Südküste Englands. Damit vermieden wir die im Englischen Kanal intensiver setzende gezeitenbedingte Gegenströmung und segelten mit variablem, leichten ablandigen Wind der Landmarke von Lizard Point entgegen. Die Crew hatte bereits ein schmackhaftes Abendessen vorbereitet und wir segelten in die nächste sternenklare Nacht, in die uns die untergehende Mondsichel begrüßte. Das mitternächtliche Spinnakersegeln war nur eine kurze aber schöne Episode, der Wind war zu variabel. Die Charisma war von Meeresplankton floureszierendem Wasser umspült, ihre engagierte Crew hatte weiterhin das Leuchtfeuer von Lizard Point Steuerbord Voraus im Visier.

Bernd:Heute ist Dienstag, der 2. Tag auf See. Nach dem Passieren der Needles haben wir uns aufgemacht, an der Englischen Südküste entlang gen Westen zu Segeln. Constantin hatte unser Wachsystem in Kraft gesetzt, jeweils 2 Mann/Frau auf Station für 4 Stunden. Nach 2 Stunden kam für den der bereits 4 Stunden rum hatte einer neuer Partner, so dass in dieser Weise durchrotierend jeder einmal gute aber auch weniger angenehme Wachzeiten durchstehen musste. Unserem Plan nach zügigem und schnellem Vorankommen stand grundsätzlich nichts entgegen, wenn nicht der Gott des Windes und Meeres - Neptun oder Poseidon oder wer auch immer - diesem unserem Plan nach schneller Fahrt nicht unbedingt Zugeneigt war. Zur Ehrenrettung der Götter sei gesagt, dass es nicht so schlimm wurde, wie im Wetterbriefing in Cowes vorhergesagt.

Ja, Windstärke 1 bis 2, wie vorhergesagt hatten wir schon, aber immer nur stundenweise. Bei diesem Wind erfordert dass Aufkreuzen gegen den vorherrschenden West- oder NW-Wind schon ein wenig Geduld. Die Frage bleibt, was hatten wir für einen Wind zwischen den Stunden, in denen es mit Stärke 1-2 blies? Ihr werdet es vermuten, es war mehr oder weniger Flaute! Zum Glück hatten wir keinen Regen und es schien tagsüber die Sonne. Am Tag war es so angenehm warm, nachts jedoch war es frisch und man sollte schon warmes Outfit anziehen. Flaute ist der Inbegriff für quälende Stille und lähmende Langeweile, warten auf den leisesten Windhauch.

Ich habe in den Zeiten von Flauten beobachtet, dass sich bestimmte Rituale und Verhaltensweisen häufig oder meistens wie folgt abspielen: Der Großteil der Crew hält sich anfangs im Cockpit auf. Ein oder zwei Mann bereiten das Essen vor oder schlafen nach ihrer Wache. Im Cockpit werden Geschichten über dies oder das erzählt, interessante, aktuelle, lustige, auch Binsenweisheiten und Witze. Nach einer Weile wird es ruhiger, man genießt die Stille, lauscht dem Plätschern des Wassers am Boot, sinniert vor sich hin, schaut in die Ferne, liest ein Buch oder eine Zeitschrift. Später wird das Cockpit immer leerer, die ersten verholen sich in die Koje oder unter Deck. Zum Schluss bleibt die Wache alleine zurück auf der Suche nach Wind und einem leichten Kräuseln des Meeres oder beschäftigt mit dem einen oder anderen Wende- oder Spinaker-Manöver zu selbigem Zweck.

Und dann endlich der befreiende Aufschrei - da ist Wind, man fühlt es schon! Dann ein erneuter Auf- und Jubelschrei, wenn die 1 Knoten-Marke überschritten wird. Es geht voran, die Stimmung steigt und jeder hofft, dass es möglichst lange so bleiben wird, und wir gut Strecke machen können. So war es bisher, unabhängig von diesen Bedingungen ist unsere gute Laune immer noch oben und jetzt wird es besser! Jetzt, für Dienstagabend ist ein kleines Tief vorhergesagt, mit einem Winddreher auf SW - so wie wir es bräuchten - mit Wind in Stärke 4 bis 5. Wir freuen uns darauf und werden berichten...

 

Mit der Bewölkung kam der Wind und wehte schließlich mäßig aus W, zwar erneut von vorne, aber nunmehr besser zu kalkulieren. Mit Kreuzschlägen arbeiteten wir uns mit wieder einsetzender westschiebender Tide bis dicht östlich der Scilly Islands vor, um das Verkehrstrennungsgebiet Lands End Off nordöstlich auf Steuerbord liegen zu lassen. Die Scilly Islands bleiben Backbord liegen, die Route für die Querung der Keltischen See ist frei. Wir können unsere Swan laufen lassen. Durch die Wetterprognosen des zunehmenden und rückdrehenden Windes besteht Aussicht morgen Abend den Fastnet Rock zu runden. Die Crew hat sich gut eingespielt und grüßt alle Angehörigen und charismatischen Segelfreunde...

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