Unsere Erlebnisse

Im Flow über die Nordsee

Mit Flow ins Land der Papageientaucher und mythischen Steinkreise – noch zwei Stunden bis Mitternacht. Die norwegische Küste haben wir vor 30 Stunden verlassen. Bald werden wir nochmal wenden für den finalen Schlag zu den Shetlands. Hier auf fast 60° nördlicher Breite ist das Licht kurz vor Sonnenuntergang besonders magisch.

Im aufgehobenen Wachsystem
Ich bin alleine am Steuer. Und genieße diese einsame Zeit. Seit etwa zwei Stunden begleitet uns ein Basstölpel, der immer mal wieder nah heranfliegt und nach mir sieht. Die restliche Mannschaft ist unter Deck. Die Nacht zuvor war ich seekrank, alle sind für mich eingesprungen. Jetzt geht es mir gut und ich habe die zweite Wache hintereinander. Hoffe, uns allen einen Ruhepuffer für die zweite Nacht dieser Überfahrt heraussegeln zu können. Der Wind hat ein wenig gedreht. Wir kommen hart am Wind dennoch gut westwärts voran.

Im Einklang mit der Natur
Immer tiefer fühle ich mich in den Rhythmus von Boot, Wind und Wellen hinein. Mit allen Sinnen. Ich spüre das Ruder in meinen Händen vibrieren. Fühle, wenn die Dünung das Schiff anhebt und beschleunigt. Schmecke die Gischt. Sehe, wie die Wellen laufen. Höre deren brechenden Kämme rauschen und den Wind pfeifen. Wenn er ein wenig zunimmt und raumt, kann ich um ein paar Grad leicht anluven, um dann gleich darauf auf den alten Kurs zu gehen, wenn er wieder strahlt. Das Schiff liegt so leicht auf dem Ruder. Vieles macht die Yacht mit ihrer Physik selbst, wenn ich sie lasse. Und immer mehr ahne ich schon vorweg, welche Reaktion von mir gleich gefordert sein wird, um Kurs zu halten. Immer seltener muss ich auf den Kompass sehen. Ich weiß, daß der Kurs stimmt. Und juble innerlich, wenn ein kurzer Kontrollblick das bestätigt. Ich fühle mich im Flow.

Im Logbuch
Im Logbuch wird stehen: „Segeln in der Nördlichen Nordsee, Seegebiete: Utsira, Viking u. Fair Isle … Nordseequerung … mit aufmerksamem Routing, Willensstärke und konzentrierten Steuerleistungen der Crew in zwei Nachtfahrten bei wechselhaftem westlichen Wind ausschließlich Kurs am Wind …“  - es scheint, das gesamte Schiff war im Flow.

„Flow […] bezeichnet das als beglückend erlebte Gefühl eines mentalen Zustandes völliger Vertiefung […] und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit“
 
Im Flow
Flapp. Flapp. Flapp. Pünktlich zur Querung des Nullmeridians schaut mein Freund, der Tölpel wieder vorbei. Er pirscht sich von achtern an. Ein paar Flügelschläge nur, und er scheint zum Greifen nah neben mir zu schweben. Sein beiges Gefieder leuchtet im spärlichen Abendlicht und glimmt mit dem Horizont um die Wette. Ein intensiv blauer, kurzer Blick rüber zu mir ins Cockpit. Ich nicke ihm zu: „Mach, Kumpel!“
Er saust los, schießt die ganze Bootslänge entlang, quert frech vor dem Bug. Grade so, als wollte er mich verhöhnen: „So geht segeln, Junge!“ Elegant kurvt er ins nächste Wellental und gleitet es entlang. Ohne einen einzigen Flügelschlag. Ganz unten am Boden der Welle, da wo es fast windstill und das Wasser glatt ist, streift er mit einer Flügelspitze sacht die Oberfläche. Ein Kräuseln nur. Dann verschwindet er hinter der nächsten Welle.

Auch er ist im Flow. Jetzt gemeinsam mit mir auf der Westhalbkugel.

 

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