Ein kräftiges Tief über dem Nordmeer führt im Archipel der Orkney Inseln zu einer frontendurchsetzten Starkwindlage aus westlicher Richtung. Für die Planung des Segeltages liegt einiges an Nautischer Literatur auf der Back: die Seekarte Imray C68, der Reeds Almanac 2022, die Gezeitentafeln für die Europäischen Gewässer (BSH) sowie die vom Clyde Cruising Club herausgegebenen Sailing Directions für N & NE Scotland and Orkney Islands.
Leinen los, Segel hoch
Um 10.00 UTC+1 verlassen wir – geduscht vom Regen einer Warmfront – die Marina. Bei vorlich einfallendem Wind lassen wir uns in die auf Slip gelegte Achterspring einsacken. Der Wind weht mit S-SW 4-6 Beaufort. Unsere Rout führt in nördliche Richtung in den Wide Firth, auf Am-Wind-Kurs in die Leeabdeckung der Ostküste von Mainland und bei gegenläufiger Tide durch die Little Seal Skerrys. Als Besegelung führen wir die Genua III und das Großsegel im ersten Reff.
Schmetterlingssegeln
Wir lassen die Insel Gairsay Steuerbord liegen und fallen ab. Der Gezeitenstrom läuft jetzt mit uns. Bei sehr aufmerksamen Steuerleistungen segeln wir Schmetterling vor dem WInd. Wir passieren die Südhuk von Egilsay (Point of the Graand) und luven an auf Kurs NNE in den Westray Firth. Hier setzt uns der einlaufende Flutstrom mit bis zu 4 kn entgegen. Da wir bei Starkwind und nunmehr zweifach gerefftem Großsegel aber bis zu 8 kn Fahrt durchs Wasser machen, können wir dagegenhalten.
Wind gegen Strom
Wir steuern gen Fersness Bay. In der engen Passage steht Starkwind mit uns - der Flutstrom aber gegen uns. Das führt zu sogenannten Overfalls: sich aufstauende und brechende Wellen, die die Yacht beuteln. Der Rudergänger hält mit engagiertem Steuern die Überholbewegungen und Kursschwankungen der Yacht in Grenzen. Durch gegenläufige Neerströmungen erreichen wir jedoch auch wieder schnelle Geschwindigkeiten bis zu 8 kn Fahrt über Grund.
Terrestrische Navigation
Unerlässlich bei diesen starken und wechselhaften Gezeiten, ist die permanente Peilung der zu passierenden Objekte und Landmarken, um einen möglichen Querversatz des Schiffes rechtzeitig zu erkennen. Wir segeln in den Sound of Faray und nutzen bei nunmehr nachlassendem Flutstrom die Leeabdeckung der Inseln Faray und Rapness. Die Huk von Stanger Head spitz Backbord voraus binden wir mit einsetzendem Kapeffekt das dritte Reff ins Großsegel – zumal wir mit Ansteuerung des Seeabschnitts Pierowall Road auf einen strammen Am-Wind-Kurs anluven. Bei W-SW 6 jagt unsere Nautor’s Swan 441 durch die See. Das Leedeck wird gespült. Der Rudergänger hält die Yacht konsequent bei 40° Anstellwinkel zum Wind auf Kurs.
Ansteuerung Pierowall
In der Bucht von Pierowall Harbour bergen wir die Segel und steuern den Hafen unter Motor an. Wir werden von einem einheimischen Fischer und dem Hafenmeister sehr freundlich und voller Hilfsbereitschaft empfangen. Da wir die auflandig liegen – der Hafen bietet bei dieser Wetterlage keine andere Möglichkeit, bekommen wir 4 große Fender gestellt. Wir richten die CHARISMA beim auflandigen Starkwind mit allen vorhandenen Fendern in eine gute Liegeposition aus und klarieren das Schiff – Distanz 27 sm.
Erst im Cockpit, dann im Salon lassen wir beim Anleger den Tag Revue passieren. Anschließend unternimmt die Crew einen Landgang, am Abend wird an Bord gekocht. Alles in allem ein super Segeltag und ein äußerst gelungener Törnauftakt!