Auch der neue Tag beginnt ereignisreich. Der beeindruckende Besuch der Walrösser wirkt noch nach, als wir gegen 2:00 Uhr in die Koje gehen. Daraus wird allerdings nichts. Der Starkwind orgelt in den Wanten und der Anker beginnt zu slippen. Statt in den Schlafsack steigen wir ins Ölzeug - Anker auf und los.
Dramatische Gletscherszenerie
Wir rollen die Genua leicht aus und segeln durch den nördlichen Teil des Storfjords gen Westen. Eine fiese Eiswolke hängt über dem Gletscher und schickt eiskalte Fallböen Stärke 6-7 in unserer Richtung. Wir preschen durch die aufgewühlte See parallel zur Gletscherfront, die einiges an Eis abgekalbt hat. Ich knie als Eiswache auf dem Vordeck und bin im Streckgurt eingepickt. Eine Eiswasserdusche nach der anderen wäscht über mich und das Vordeck. Das Wasser ist von Schaumkronen übersät, die Eiscrawler sind schwer zu erkennen. Als eingespieltes Team bewältigen wir die Situation bestens. Ohne Einskontakt erreichen wir die Westküste und starten einen neuen Ankerversuch südlich der Insel Lomontoya.
Seltene Ankerwache
Bei 8 Meter Wassertiefe stecken wir 60 Meter Kette - die bei steifen Starkwind unter vollem Zug steht. Der Anker scheint sich an einem Stein verhakt zu haben und hält - erstmal. Während sich die anderen in die Koje legen, halte ich Ankerwache und beobachte über GPS unseren Schwojenkreis. Nach zwei Stunden und etlichen Fallböen gibt es keinen Halt mehr. Gegen 6:30 Uhr heißt es wieder Anker auf. Schwerstarbeit, die bei dem stürmischen Wind nur noch über die 65er Winsch zu bewältigen ist.
Lenzen vor Top und Takel
Der Wind weht stürmisch über das Gletscherfeld aus Norden. Ohne Segel machen wir bereits 5 KN Fahrt über Grund. Das abgekalbte Gletschereis ist nach Süden getrieben. Aufmerksame Steuerleistung und eine verlässliche Eiswache ist gefragt. Vor Top und Takel lenzen wir mit den Eiscrawlern um die Wette. Wir sind schneller und überholen das Eisfeld nach ca. 2 Stunden. Eis- und Windsituation entspannen sich. Wir rollen die Genua aus. Jetzt gibt es für die Eisfahrt-Crew Rührei mit Lachs und für die Steuerfrau Knäckebrot und einen Apfel.
Sightseeing
Mit Kurs 200° segeln wir entlang der imposanten Ostküste Südspitzbergens. Es ist kalt und windig - im Tagesverlauf kommt jedoch die Sonne raus und setzt die Gletscher- und Bergwelten ins richtige Licht. Wir haben unseren Kurs auf die Agardbukta abgesetzt, brechen die Ansteuerung jedoch ab. Das Wasser in der Bucht ist durch stürmische Fallböen aufgepeitscht. Schaumkronen wohin das Fernglas schaut. Wir fallen ab und segeln mit Kurs Süd weiter. Die Luft wird klarer, die Sonne wärmt - wir machen alle Luken auf und lüften durch. Nicht nur wir, sondern auch die Charisma atmet durch. Gegen Abend lässt der Wind nach, wir motoren die letzten 15 Seemeilen. Gegen 20:30 fällt der Anker nach 75 sm bei Kvalvagen. Eindrucksvolle 48 Stunden liegen hinter uns - morgen schlaf wir aus!